Klinikum Oldenburg: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage
Oldenburg (pm) Im Zusammenhang mit der Mordserie des ehemaligen Krankenpflegers Niels Högel erhebt die Staatsanwaltschaft Oldenburg gegen fünf Verantwortliche aus dem Klinikum Oldenburg Anklage. Der Vorwurf lautet auf Totschlag durch Unterlassen in den Jahren 2001 bis 2005. Drei der Angeschuldigten sind heute nicht mehr im Klinikum tätig.
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Angeklagt werden der ehemalige Geschäftsführer des Klinikums, die ehemalige Pflegedirektorin des Klinikums, der ehemalige Chefarzt und Leiter der kardiochirurgischen Intensivstation, sowie der Pflegedienstleiter dieser Station und der Chefarzt und Leiter Anästhesieabteilung.
Dem ehemaligen Chefarzt und Leiter der kardiochirurgischen Intensivstation und dem Pflegedienstleiter dieser Station wird mit der Anklage jeweils Totschlag durch Unterlassen in drei Fällen vorgeworfen. Dem ehemaligen Geschäftsführer des Klinikums und der ehemaligen Pflegedirektorin wirft die Anklage jeweils Totschlag durch Unterlassen in 63 Fällen vor und dem Chefarzt und Leiter der Anästhesieabteilung werden 60 Fälle des Totschlags durch Unterlassen zur Last gelegt.
Die Anklage geht davon aus, dass vier der Angeschuldigten – nämlich der ehemalige Geschäftsführer, die ehemalige Pflegedirektorin, der ehemalige Chefarzt und Leiter der kardiochirurgischen Intensivstation, sowie der Pflegedienstleiter dieser Station – spätestens ab Ende Oktober 2001 die von dem ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel ausgehende Gefahr erkannt hatten. Zu diesem Zeitpunkt soll eine intern erstellte Liste vorgelegen haben, aus der sich eine überproportionale Häufigkeit der Anwesenheit des Pflegers bei Todesfällen nach Reanimationen ergeben haben soll. In der Folge soll es dann zu mehreren Besprechungen gekommen sein, bei denen unter anderem auch das Einschalten der Strafverfolgungsbehörden thematisiert und im Ergebnis verworfen worden sei.
Aus Sorge um ihre persönliche Reputation, die Reputation der kardiochirurgischen Intensivstation und des Klinikums Oldenburg insgesamt, welches in der Zeit durch einen Hygieneskandal mit mehreren Todesfällen in der Radiologie negativ in die Schlagzeilen geraten war, sollen die Angeschuldigten jedoch untätig geblieben sein, so die Staatsanwaltschaft Oldenburg. „So kam es in der Zeit vom 17. November bis zum 26. November 2001 auf der kardiochirurgischen Intensivstation zu drei Morden des Niels Högel, die die Angeschuldigten nicht verhindert haben sollen, obwohl sie solche Taten für möglich gehalten haben sollen und obwohl sie aufgrund ihrer jeweiligen Funktion im Klinikum Oldenburg dazu verpflichtet gewesen wären, das Leben dieser Patienten zu schützen“, schreibt die Staatsanwaltschaft.
Laut Anklage setzten sich der ehemalige Chefarzt der kardiochirurgischen Intensivstation und sein Pflegedienstleiter unter Einbindung der Klinikleitung vielmehr dafür ein, dass Niels Högel lediglich auf eine andere Station versetzt wurde. Aber auch auf der Anästhesiestation kam es nach der Anklage in der Folge zu Auffälligkeiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit des ehemaligen Krankenpflegers. Daraufhin sollen der Chefarzt dieser Station – der spätestens von diesem Zeitpunkt an ebenfalls die von dem Pfleger ausgehende Gefahr für die Patienten erkannt haben soll – die ehemalige Pflegedirektorin und der ehemalige Geschäftsführer des Klinikums dafür gesorgt haben, dass Niels Högel zunächst bei Weiterzahlung seiner Bezüge für drei Monate freigestellt wurde und schließlich das Klinikum mit einem sehr guten Zeugnis verlassen konnte. Durch das falsche Zeugnis sollen die Angeschuldigten die tödliche Gefahr, die der Krankenpfleger bei seiner Tätigkeit für die ihm anvertrauten hilflosen Patienten bedeutete, verschleiert haben und es ihm auf diese Weise ermöglicht haben, eine Anstellung am Klinikum Delmenhorst zu erlangen. Die Anklage kommt daher dazu, dass diese drei Angeschuldigten auch für die weiteren 60 Morde beziehungsweise Mordversuche des ehemaligen Krankenpflegers am Klinikum Delmenhorst in der Zeit vom 15. Dezember 2002 bis zum 24. Juni 2005 wegen Totschlags durch Unterlassen verantwortlich sind.
Das Landgericht Oldenburg hat über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht entschieden. Für den Tatbestand des Totschlags durch Unterlassen sieht das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf und von höchstens 15 Jahren vor.
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