Oldenburg

Heuchlerisch

Täglich findet in Deutschland sexueller Missbrauch statt.

Täglich werden in Deutschland Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht.
Foto: Martin Marti / flickr.com; Lizenz: CC BY 2.0

Ein pädagogischer Leiter eines Kinderheims in Niedersachsen ist wegen sexuellen Missbrauchs an zwei Jungen zu sechs Jahren Haft verurteilt, ein Erzieher in Hessen erhält wegen sexuellen Missbrauchs an einem kleinen Mädchen in einer Kita eine fünfjährige Gefängnisstrafe, ein Augsburger Kinderarzt missbrauchte 21 Jungen und muss eine Haftstrafe von 13,5 Jahren verbüßen, ein ehemaliger englischer Fußball-Profi, der eine 15-Jährige sexuell missbraucht hat, geht für seine Tat sechs Jahre ins Gefängnis. Alles aktuelle Fälle, die wir zur Kenntnis genommen haben ebenso wie den massenhaften sexuellen Missbrauch, der sich vor Jahren und Jahrzehnten in der katholischen Kirche zugetragen hat und erst vor einiger Zeit öffentlich wurde.

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Als jetzt publik wurde, dass ein 17-jähriger Iraker einen neunjährigen Syrer in einer Oldenburger Flüchtlingsunterkunft schwer sexuell missbraucht haben soll, da erregten sich die Gemüter darüber, dass die Polizei den Fall nicht von sich aus sofort öffentlich gemacht hat. Die Polizei wurde der Verheimlichung bezichtigt, dabei gibt es laut Polizeipräsident Johann Kühme einen Erlass, der den Schutz Minderjähriger als bedeutsamer erachtet als das öffentliche Interesse. Von dem Kind, seinen Qualen, die es durchlitten hat und der daraus vermutlich lebenslang resultierenden Traumatisierung war mit keinem Wort die Rede.

Täglich werden in Deutschland Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht. Einige Tausend Fälle werden jedes Jahr angezeigt, die Dunkelziffer dürfte extrem hoch sein. Doch wen rührt das und weshalb wünscht ein Teil der Öffentlichkeit eine solche Meldung, die uns in der Sache überhaupt nicht weiterbringt, sondern nur das Opfer und sein Umfeld zusätzlich belasten? Wie gesagt: sexueller Missbrauch geschieht dauernd und überall, eben auch in Oldenburg, quer durch alle sozialen Schichten unabhängig von Konfession und Familienstand, über Ländergrenzen hinweg und eben auch unter Flüchtlingen.

Das ist nicht neu, aber jeder Fall ist tragisch und verdient etwas anderes als eine Schlagzeile, die höchstens dazu gut ist, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und vorhandene Vorurteile zu bestätigen, sich aber nicht ernsthaft mit der Problematik befasst, geschweige denn Lösungen entwickelt und sie zum Schutz unserer Kinder einsetzt.

Sexueller Missbrauch ist auch in Chaträumen des Internets zu beobachten. Hinzu gesellt sich die pornografische Ausbeutung von Kindern. Massenhaft wird Kinderpornografie im Internet angeboten und nachgefragt. Prominentester Fall im vergangenen Jahr war der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy. Das Problem ist also hinreichend bekannt und dennoch geschieht wenig.

Die Täter kommen ganz überwiegend aus dem näheren Umfeld der Opfer. Es sind die eigenen Eltern, Verwandte, Freunde, Nachbarn oder Personen, die durch ihren Beruf oder ihr Hobby mit den Opfern zu tun haben. Und manch ein anderer weiß von ihren Straftaten, schweigt aber aus Angst, Scham und Pein. Was geht in den Tätern vor, und warum suchen sie sich Kinder, die ihnen hoffnungslos unterlegen sind, für ihre Vergehen aus? Genau um diese Fragen geht es. Doch eine offen und sachlich geführte gesellschaftliche Debatte, eine fundierte Auseinandersetzung mit diesem Thema findet nicht statt.

Fachleute weisen zwar schon seit Jahrzehnten auf das schwere Problem hin, müssen jedoch um jede Stelle in entsprechenden Hilfeeinrichtungen betteln. Und bezogen auf den konkreten Fall haben Experten schon früh auf die Problematik in Flüchtlingsunterkünften hingewiesen und entsprechende Präventionskonzepte gefordert. Unsere Gesellschaft hält das Problem sexueller Missbrauch an Minderjährigen offenbar für nicht so wichtig, wohl aber die Nachricht darüber, dass sexueller Missbrauch geschieht.

Ein Kommentar von Katrin Zempel-Bley

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10 Kommentare

  1. Karl
    5. Juni 2016 um 8.49 — Antworten

    @Katrin Zempel-Bley

    >…Leiter eines Kinderheims in Niedersachsen (Anm.: LK Lüneburg) …, ein Erzieher in Hessen …, Augsburger Kinderarzt … und ein ehemaliger englischer Fußball-Profi …

    Alles aktuelle Fälle, die aber nicht in Oldenburg vorgefallen sind. Der Vorwurf des Kindesmissbrauchs ist sicher der schwerste, den man einem Mann überhaupt machen kann, aber bei aller zelebrierten Toleranzbesoffenheit sollte von Zeit zu Zeit ein Gedanke daran verwendet werden, dass Multikulti auch dunkle Seiten hat. Ob sich dieser Vorfall nun kulturbedingt oder aus Mangel an anderen Möglichkeiten ereignet hat, kann ich nicht beurteilen. Zweifel sind nach der Lektüre dieses Beitrags in der FAZ vom 23.05.2011 aber angesagt, auch wenn wie in diesem Fall Täter und Opfer aus anderen Ländern kommen:

    Die Tanzknaben vom Hindukusch

    Ihr Vorwurf der Heuchelei greift m. E. aber zu kurz. Kindesmißbrauch ist für mich etwas weit entferntes und realitätsfremdes, gefühlte Bedrohung, auch wenn diese rein subjektiv ist, aber etwas reales. Auf einen Bericht in der JF, in der Polizeibeamte über die systematische Vertuschung von Kriminalität durch Asylbewerber berichten, will ich hier nicht verlinken. Den Vorwürfen der Unterdrückung einschlägiger Berichte durch ministerielle Erlasse wurde aber nicht widersprochen. Daher haben die Äußerungen von Herrn Präsident Kühme für mich einen schalen Beigeschmack. Eine einfache Aussage, dass es eine derartige Direktive in Niedersachsen nicht gibt, wäre sicher hilfreich.

    • Werner Lorenzen-Pranger
      7. Juni 2016 um 6.30 — Antworten

      „….auch wenn wie in diesem Fall Täter und Opfer aus anderen Ländern kommen…“

      Na, da ist doch der Voyeurismus aber gerade am größten, wie auch ein heute Morgen gelesener Artikel in der NWZ mal wieder zeigt. Da soll doch ein Asylbewerber nächtens um drei in einer Fußgängerzone eine Fünfzehnjährige abgeknutscht haben. Welch ein Skandal!
      Ja, gleich mehrfach ein Skandal, denn wäre der Täter ein Deutscher gewesen, stände davon ganz sicher nichts in der Zeitung – und was tut eine Fünfzehnjährige mitten in der Nacht eigentlich mit anderen alkoholisierten Jugendlichen in der Fußgängerzone?
      Fazit: Die NWZ befördert eimal mehr den alltäglichen Rassismus. Fahren sie mal in die einschlägigen Landdiscotheken. Da gibts kaum „Ausländer“, aber sexuell motivierte Übergriffe, gar bis zum Einsatz von „K.O.-Tropfen“, zuhauf. Diebstähle natürlich auch. Komisch, kommt in der Presse nie vor, dieses allsamstagliche „Köln“ schon seit so vielen Jahren…

      • Karl
        7. Juni 2016 um 9.10 — Antworten

        @Werner Lorenzen-Pranger ,

        >…was tut eine Fünfzehnjährige mitten in der Nacht eigentlich mit anderen alkoholisierten Jugendlichen in der Fußgängerzone?

        das sollten Sie die Eltern fragen. Aber selbst eine Fünfzehnjährige in Begleitung alkoholisierter Jugendlicher muss immer noch selbst darüber entscheiden können, von wem Sie sich abknutschen lässt. Heute gilt ja schon als Rassismus, wenn eine Frau einem autochthonen Deutschen den Vorzug gibt und nicht irgendeinem Asylbewerber aus Nahost oder Afrika. Allerdings gibt es immer noch genug dumme Gören, die auf diesen Schmu reinfallen. Da helfen auch keine Selbstverteidigungskurse, denn gegen den Vorwurf des Rassismus hat selbst der Schwarze Gürtel keine Chance.
        In einschlägige Landdiscotheken fahre ich schon lange nicht mehr. Allerdings bin ich zu Zeiten, in denen ich noch jung und trinkfest war, an Wochenenden häufig mit Kollegen zum Schwofen aufs Land gefahren. Ältere mögen sich noch an Namen wie Allee Hotel in Varel, zur Deutschen Eiche in Obenstrohe oder meinetwegen noch den Müssel Krug in Borbeck erinnern. Die Bauernburschen waren verständlicherweise nicht begeistert von der Konkurrenz aus der Stadt und selbst wer von zu Haus aus kein Platt sprach, verstand, was mit dem Satz gemeint war: Wi pedd us Höhner süllms. Auch kam es dabei zu handfesten Auseinandersetzungen, wobei es richtig zur Sache ging. Allerdings war Schluss, wenn einer zu Boden ging. Das Nachtreten, vorzugsweise gegen den Kopf, ist eine multikulturelle Errungenschaft, auch wenn diese von verrohten Biodeutschen übernommen wurde.
        Ob es damals schon “K.O.-Tropfen” gegeben hat, weiß ich nicht, aber ein oder zwei Gläschen Escorial grün waren auch nicht ohne. Sollten Sie tatsächlich die Vorfälle in Landdiscotheken mit denen zu Silvester in Köln und anderswo auf eine Stufe stellen, ist Ihnen wohl nicht mehr zu helfen. Sind es Biodeutsche, sind sie ein Fall für die Strafverfolgungsbehörden, sind sie Ausländer ein Fall für die Ausländerbehörden zwecks sofortiger Abschiebung. Letzteres findet leider nur in ganz seltenen Ausnahmefällen statt.

        • Werner Lorenzen-Pranger
          7. Juni 2016 um 13.03 — Antworten

          Schön, daß etliche ihrer Formulierungen genau die Haltungen bestätigt, die heute – und nicht nur heute – zu den Belästigungen der Frauen überhaupt erst führt. Für so manchen Spruch, einen haben sie ja so wundervoll zitiert, hätte meine Frau auch in jungen Jahren dem „Helden“ glatt ein Glas Bier über den Kopf geschüttet. Und zwar zu recht.

        • Wolf
          7. Juni 2016 um 13.49 — Antworten

          Wow karl, es ist ja erstaunlich woher dieser Verfolgungswahn der Rassisten kommt. Niemand wirft einer Frau rassismus vor, wenn sie sich in einen Deutschen verliebt. Und wenn sich eine deutsche Frau in einen Syrer,.Afghanen oder Tunesier verliebt ist sie deswegen noch lange kein dummes Gör.

          Das von Ihnen beschriebene Anspruchsdenken einiger junger Männer gegenüber der Frauen aus dem eigenen Dorf ist jedoch ein leider immer noch vorhandener Sexismus, den man bei vielen Männern leider nicht aus dem Kopf bekommt. Selbst wenn eine Frau volltrunken und nackt durchs Festzelt, die Fußgängerzone etc läuft gibt das _niemandem_ das Recht sie unsittlich anzugrapschen.

          Die Vorkommnisse zu Sylvester in Köln oder kürzlich in Darmstadt und genauso die von Werner Lorenzen-Pranger beschriebenen Übergriffe in Landdiskotheken, die die sexuellen Belästigungen und Vergewaltigungen auf dem Oktoberfest und im Karneval und auch das joviale Gegrabbel älterer Herren an der Hotelbar sind allesamt Gewalt gegen Frauen die starfrechtlich verfolgt werden müssen. Und das unabhängig von der Herkunft oder Nationalität des Täters.

          Und wenn über einen solchen Übergriff oder einen auf Kinder nicht berichtet wird liegt es daran, dass so etwas leider viel zu häufig vorkommt und von weiten Teilen der Bevölkerung immer noch zu sehr toleriert wird. Aber es ist kein Grund, dass die Rassisten mal wieder eine Verschwörung zur Abschaffung der Deutschen vermuten müssen.

          • Karl
            7. Juni 2016 um 16.47

            @Wolf.

            >Das von Ihnen beschriebene Anspruchsdenken …

            Vor kurzem habe ich irgendwo gelesen, daß die „Zuwanderung“ einen Männerüberschuß von etwa 20% in der Altersgruppe der 20 – 35-Jährigen bewirkt. Einem Teil der hiesigen verhausschweinten Jungmännern wird dann wohl nichts anderes überbleiben als das, was schon der Schauspieler Richard Roundtree in seiner Rolle als John Shaft seinen Opponenten empfahl: Mach´s dir selber, Scheißerchen!

  2. Wolf
    7. Juni 2016 um 17.17 — Antworten

    @Karl

    Na und? Das ändert immer noch nichts am Selbstbestimmungsrecht der Frau, sich ihren Mann oder ihre Männer oder ihre Frau selbst auszusuchen.

  3. Werner Lorenzen-Pranger
    7. Juni 2016 um 19.24 — Antworten

    @ Karl
    7. Juni 2016 um 16:47

    Wie sagte Woody Allen mal so schön? „Das ist immerhin Sex mit jemand, den ich mag.“ 😉

    • Karl
      8. Juni 2016 um 7.06 — Antworten

      @Werner Lorenzen-Pranger,

      und wie sagte Werner Enke zu Uschi Glas?

      “ ’s wird böse enden.“

      • Werner Lorenzen-Pranger
        8. Juni 2016 um 23.08 — Antworten

        Tat es ja auch. Enke blieb am Ende ein armer Hund und Uschi Glas spielte meist unerträgliche Wurzen, die man sich nicht wirklich ansehen mag.

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