Oldenburg

Neues Dezernat: Rückkehr zur Vernunft – mit Stolpersteinen

Foto: OOZ Archiv

Oldenburg (Michael Exner) Die Ratsentscheidung zur Bildung eines (je nach Zählweise) vierten oder fünften Dezernats beendet einen zehn Jahre dauernden und mit unterschiedlicher Schärfe geführten Diskussionsprozess. Sie ist eine Bestätigung der Linie von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) und eine Rückkehr zur Vernunft – wenn auch mit Stolpersteinen. Die unterschiedliche Zählweise hängt davon ab, ob man die beim Oberbürgermeister direkt angesiedelten Ämter (Personal, Wirtschaftsförderung und aktuell noch Kultur) als eigenständiges Dezernat mitführt oder nicht.

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Die Neuordnung zum 1. Juni 2025 hat eine lange und bisweilen mit Fake News gewürzte Vorgeschichte. Krogmann hatte nach seiner Wahl Ende 2014 eine Struktur mit drei Dezernaten und der vom Vorgänger Gerd Schwandner an sich gezogenen Kultur vorgefunden. Schon kurz nach seinem Amtsantritt hatte er der Politik die Schaffung eines weiteren Dezernates vorgeschlagen, das sich dann vorrangig mit Kultur hätte befassen sollen. Die Fraktionen konnten sich darauf nicht verständigen, wobei die CDU ein viertes Dezernat gleich welcher Prägung strikt abgelehnt hatte, während die Grünen einem Umweltdezernat den Vorzug gegeben hätten. Die SPD war von der Aufstockung zwar auch nicht begeistert, hätte aber wohl zugestimmt, schon um dem Genossen den Einstieg nicht zu erschweren. 2016, nach der nächsten Ratswahl, hatte Krogmann noch einmal einen Vorstoß unternommen – mit dem gleichen Ergebnis. Noch anlässlich der Vorstellung Ihres (später krachend gescheiterten) OB-Kandidaten 2021 hatten das Partei- und Fraktionsführung der Christdemokraten noch mal bekräftigt: Mit uns kein viertes Dezernat. In den Jahren dazwischen hatte es immer wieder Forderungen nach einem Kulturdezernat gegeben, die bisweilen in Vorwürfen gipfelten, da klammere sich ein fachlich überforderter Oberbürgermeister an die Kultur und weigere sich, die Stelle auszuschreiben. Das war stets Unsinn und mehr der Beweis dafür, dass Schriftsteller und Kulturredakteure sich besser nicht in anderen Fächern tummeln sollten.

Dass die Politik jetzt auf Krogmanns Linie eingeschwenkt ist und vor allem die Union ihren hartnäckigen Widerstand aufgegeben hat, begründete deren Fraktionsvorsitzender Christoph Baak mit veränderten Bedingungen. „Die Arbeitsbelastung hat zugenommen“, sagte er, „für die Verwaltung, aber auch für die Politik.“ Das stimmt wohl, wenngleich sich das nicht innerhalb von zwei/drei Jahren entwickelt hat. Aber niemand sollte geprügelt werden, nur weil er zur besseren Einsicht gelangt. Unausgesprochen schwingen bei Baaks Erklärungsversuch ein paar diffizilere Aspekte mit. Da ist zum einen die verbreitete Wahrnehmung, dass sich die neue Baudezernentin (mit Bedacht formuliert) bislang nicht als der erhoffte Aktivposten erwiesen hat. Zum anderen hatte Sozialdezernentin Dagmar Sachse bei der Ankündigung ihres vorgezogenen Wechsels in den Ruhestand Mitte nächsten Jahres kein Blatt vor den Mund genommen mit der Begründung, dass „in den vergangenen Jahren die Belastungen sehr zugenommen und viel Energie gekostet“ hätten. Dem müsse sie Tribut zollen. Die Frau hat in den bald 14 Jahren ihrer Amtszeit einen guten Job gemacht. Sachse hat ihr Dezernat ruhig und unspektakulär geführt, Flüchtlingskrisen und Corona gut gemanagt. Die Stadt hat ihr einiges zu verdanken.

Die Stolpersteine bei der Rückkehr zur Vernunft bestehen in der Neuordnung der Verwaltungsstruktur, konkret: in der Zuordnung gewisser Ämter. Die Schaffung eines Dezernates für „Soziales, Jugend und Gesundheit“ macht Sinn. Was aber beim neu zu bildenden Dezernat für „Schule, Sport, Kultur und Gebäudewirtschaft“ der Eigenbetrieb Gebäudewirtschaft und Hochbau zu suchen hat, erschließt sich einem nicht unmittelbar. Der war bisher im Baudezernat angesiedelt (das jetzt im Gegenzug die Abfallwirtschaft bekommt). Wenn schon ein Wechsel nötig sein sollte, würde man eher auf das Dezernat 2 (Finanzen u.a.) kommen. Das nährt den Verdacht, dass hinter der Verlagerung die alte Idee von einer möglichst gleichmäßigen Auslastung der Dezernate steht. Schon bei der über die Jahre immer wieder auftauchenden Forderung nach einem eigenständigen Kulturdezernenten (den es so nie gegeben hat), hatten Insider gespottet: „Und was macht der nachmittags?“ Da mag ja was dran sein (auch wenn dieses Argument etwas altbacken daherkommt). Andererseits sollte man sich gelegentlich die Abschiedsworte des einst gefeierten Kulturdezernenten Martin Schumacher in Erinnerung rufen. Der 2004 unter Oberbürgermeister Dietmar Schütz ins Amt gelangte Feingeist hatte seinen plötzlichen Wechsel nach Bonn 2010 gerade damit begründete, dass er „dort auch tatsächlich als Kulturdezernent arbeite“, während er hier ein Dezernat führe, das neben Kultur auch für Soziales, Jugend, Schule, Sport und Gesundheit verantwortlich sei. Man soll ja nicht unken, aber von der jetzt geplanten Umstrukturierung dürften weder die Kultur noch die Gebäudewirtschaft entscheidend profitieren.

Aber ein Schritt in die richtige Richtung ist das Ganze allemal.

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1 Kommentar

  1. Sebastian Beer
    13. September 2024 um 9.31 — Antworten

    Es kommt doch nicht auf die Zählweise an, auch wenn das einige gerne behaupten. Vielmehr kommt es auf die Lesekompetenz des bereits angesprochenen Paragraphen 8 der Hauptsatzung an und der ist unmissverständlich. Du hast es ja im anderen Artikel richtigerweise geschrieben, Michael: der Rat beruft vier leitende Beamtinnen/Beamte in das Beamtenverhältnis auf Zeit. Da der Oberbürgermeister bekanntlich nicht vom Rat gewählt wird, kann er hier nicht gemeint sein. Ergo: Die Stadt Oldenburg verstößt seit Jahren gegen seine eigene Hauptsatzung und kam u.a. meiner Bitte, dann doch zumindest die Satzung zu ändern, um es zu heilen, nicht nach.

    Übrigens boten wir Grünen damals als Kompromiss mit Blick auf unser Wahlprogramm und dem Wunsch des OB an, ein viertes Dezernat aus mindestens Umwelt und Kultur zu bilden – weitere Neuzuordnungen könnten folgen. Das wurde jedoch vom OB strickt abgelehnt, obwohl wir, als kleine Randnotiz, im Kooperationspapier mit der SPD – von ihm als Parteivorsitzender 2011 unterzeichnet – ein eigenständiges Umweltdezernat vereinbart hatten. Darüber hinaus erinnere ich mich nicht daran, dass die SPD den Vorstoß für ein Viertes unterstützen wollte – da wurde ich aus dem lauten Schweigen seinerzeit nicht schlau. Aber das soll nicht gegen deine Vermutung sprechen.

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