Politischer Coup entpuppt sich als trauriger Flopp
Oldenburg (zb) Nachdem der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) der Stadt Oldenburg laufend Erfolgsmeldungen herausgab, rudert er seit letzter Woche zurück. Grund sind die rückläufigen Papiermengen, die keine Kostendeckung mehr gewährleisten. Das heißt, die Stadt hat in Tonnen und Seitenlader 2,239 Millionen Euro investiert, doch die Mehrheit der Oldenburger Haushalte überlässt weiterhin dem privaten Sammler das Papier.
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Die Tonnenwende in Oldenburg sollte eine halbe Million Euro in die Stadtkasse spülen. Exakt 42.500 Tonnen mit je 240 Liter Nutzinhalt und 1350 Tonnen mit 1100 Liter Nutzinhalt hat die Stadt gekauft. Dann wurden die Tonnen wochenlang an alle Haushalte verteilt, um später jene Tonnen wieder einzusammeln, die niemand haben wollte. Die stehen derzeit auf dem Fliegerhorst. Der Gesamtaufwand beträgt rund 1.484.643 Euro. Das ist aber nicht alles. Zudem wurden zwei Seitenlader für 754.710 Euro gekauft, die helfen sollen, Personalkosten einzusparen. Doch statt mit einer Person sind sie immer noch mit zwei Personen besetzt, weil das Verfahren nicht reibungslos funktioniert.
Während Ende April die 50 Prozent-Marke, das entspricht rund 500 Tonnen Papier, laut Stadtverwaltung geknackt war und zwar mit steigender Tendenz, informierte AWB-Leiter Arno Traut die Fachausschussmitglieder letzte Woche über rückläufige Sammelmengen: 512,9 Tonnen im April, 482,6 Tonnen im Mai und nur noch 445,1 Tonnen im Juni. Ob die Zahlen stimmen, kann derzeit niemand sagen, denn dazu bräuchte man die Zahlen der Arbeitsgemeinschaft duales System Oldenburg (ARGE). Doch seit die Stadt zum 1. September ein Sammelverbot erteilt hat, wogegen der private Sammler gerichtlich vorgegangen ist, herrscht Funkstille.
Dass plötzlich weniger Papier in den städtischen Papiertonnen liegt, könnte auch reine Strategie sein. Denn die Stadt hat stets vollmundig – übrigens auch in Fachblättern – erklärt, dass sie einen Sammelanteil erreicht hat, der einen kostendeckenden Betrieb der öffentlichen Altpapiererfassung gewährleistet. Somit steht fest, dass die Sammlung der ARGE nicht mit der Begründung verboten werden kann, sie gefährde die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Entsorgung, so wie es § 17 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes für eine Untersagung voraussetzt. Also bleibt dem AWB jetzt offenbar nichts anderes übrig, als zurück zu rudern und die in der Öffentlichkeit verkündeten Erfolgsmeldungen zu korrigieren.
Unterdessen hat die ARGE beim Verwaltungsgericht Oldenburg einen Eilantrag eingereicht, der sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung ab dem 1. September richtet. Das Gericht hat der Stadt inzwischen mitgeteilt, dass aufgrund gerichtsinterner organisatorischer Umstände nicht vor dem vierten Quartal mit einer Entscheidung über den Eilantrag zu rechnen sei und darum gebeten, bis dahin von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen. Die Stadt beabsichtigt dieser Bitte zu entsprechen.
Bislang konnten die Oldenburger bezüglich der Papiersammlung laut Arno Traut von einer schwarzen Null ausgehen. Jetzt informierte er den Ausschuss darüber, dass 71 Prozent aller Oldenburger Grundstücke die AWB-Tonne haben, das entspricht 33.130 Tonnen. Im Vierwochenzyklus würden aber nur 20.600 Tonnen geleert. Somit würden 12.530 der städtischen Tonnen nicht oder nur unregelmäßig genutzt. Mit anderen Worten, und das können viele Oldenburger selbst beobachten, war für manch einen Hausbesitzer die städtische Altpapiertonne ein schönes Geschenk, das zweckentfremdet wurde.
Somit erweist sich die Entscheidung von Rat und Verwaltung als Bumerang. Es wird also parallel gesammelt zum Schaden der Stadt. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache kann es noch lange dauern. Unklar ist nur, wer für das sich ansammelnde Defizit in der Stadtkasse aufkommt bzw. wer die Verantwortung für diese Entscheidung übernimmt. Bislang halten die Befürworter, das sind die Ratsfraktionen von SPD, Grünen und Linken, starr an ihrem Beschluss fest. Und so wird die Altpapiergeschichte noch einige Fortsetzungen finden, zumal das Hauptverfahren Jahre dauern wird. In dieser Zeit wird die Stadt Miese machen, vorausgesetzt die genannten Zahlen entsprechen der Wahrheit.
9 Kommentare
Die Tonne der Stadt eignet sich halt gut als Regentonne. Mehr aber auch nicht. Die Lügen von Traut und dem Rat passen da leider nicht zur Entsorgung rein. Wäre aber sowieso Sondermüll.
Die AWB-Tonne eignet sich – mittels Stichsäge „optimiert“ – wunderbar als Kompostkiste im Garten. Hier stehen gleich zwei davon nebeneinander 😉
Die Stadt schickt auf der einen Seite die „Heckenpolizei“ herum und fordert Grundstücksbesitzer während der Brut- und Setzzeit auf, die Hecke zu kürzen. Auf der anderen Seite will sie mein Altpapier. Da stelle ich schon aus Protest die ARGE Tonne nicht mehr an die Straße obwohl ich durchaus Pappe und Papier für zwei Tonnen hätte.
Sorry, ich meinte natürlich , dass ich die AWB Tonne nicht mehr an die Straße stellen werde.
„Ich-hab-es-ja-gleich-gesagt“ ist eigentlich nicht meine Art aber in diesem Fall ist es nun mal so. Am Ende des Tages ist die Kohle in den Sand gesetzt. Kohle die an vielen anderen, wirklich sinnvollen Ecken hätte eingesetzt werden können. Schuld hat am Ende natürlich der Bürger, weil er die Tonne nicht nutzt, klar oder?
Es gibt k e i n e n v e r n ü n f t i g e n Grund, nicht die AWB-Tonne zu nutzen. Es gibt auch keine Rechtfertigung, Gehwege zuwachsen zu lassen. Mehr soziales Verhalten wäre angebracht. Und Sachbeschädigungen (Stichsäge) bleiben nicht folgenlos…
Korrekt, die Folge ist im nächsten Jahr wunderbarer Humus. Wer mir unaufgefordert (!) seinem Kram hinstellt und die Sachen eines Mitbewerbers kommentarlos einsacken will (aber nicht darf) ist eben selbst schuld, wenn ich selnen Kram einer anderen Verwendung zuführe.
Mein Papier und meine Pappe bekommt weiterhin die AWB, und wenn ich den privaten Recyclern das Material selbst anliefern muss. Punktum.
Es geht darum, dass wenn Vertreter der Stadt bei ihrer Aufgabenbewältigung Zielkonflikte vorfinden, diese nicht mithilfe des gesunden Menchenverstandes auflösen können (Naturschutz vs. „Wildwuchs“, der im übrigen keiner war).
Wenn ich bei relativ einfachen Sachverhalten und den sich daraus ergebenen Fragestellungen schon an der Kompetenz der Stadt (die ja u.a. durch ihre Mitarbeiter repräsentiert wird) zweifeln muss, dann fehlt mir als Bürger das Vertrauen, dass die öffentliche Hand weitaus komplexere Angelegenheiten kompetent managen kann.
Das ist zugegeben sehr subjektiv und kann sich ja auch in der Zukunft ganz anders darstellen.
Nur kommt erschwerend hinzu, dass der Ton die Musik macht und der war bisher sehr fordend und bestimmend. Das stößt viele Leute vor den Kopf.
Es ist nun mal sehr schwer, jemanden etwas unfreundlich zu verkaufen, besonders wenn der Kunde gar kein Bedürfniss nach dieser Dienstleistung verspürt.
Da mag mir mein/e Ratsvertreter/in noch so häufig die Senkung bzw. die Beibehaltung der Müllgebühren bei fleißiger Nutzung der AWB Tonne in Aussicht stellen: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.
@ Günter
Entgegen ihren Aussagen gibt es schon einen triftigen Grund der ARGE treu zu bleiben:
Die Stadt Oldenburg wollte vor nunmehr 10 Jahren das unternehmerische Risiko mit dem Altpapier nicht eingehen und will jetzt das Geschäft mit dem Papier übernehmen. Das es dabei Arbeitslose auf der Seite der ARGE geben wird, nimmt man einfach so hin.
Und was das Gehwege zuwachsen angeht, sollten sich die Kontrolleure mal lieber darauf beschränken Verkehrszeichen frei zu machen, die hinter Blattwerk von Bäumen verdeckt werden.
Und was dann das soziale Verhalten angeht, sollte man das bei der Stadt respektive beim AWB mehr beherzigen. Die nämlich leeren auch die Tonnen der ARGE, wenn sie an die Straße gestellt werden, weil wieder mal jemand mit den Plänen durcheinander gekommen ist.
Das nenne ich Diebstahl, denn ich habe das Papier der ARGE in ihrer eigenen Tonne zur Abfuhr bereit gestellt und ganz sicher nicht dem AWB.
Soviel also zum sozialen Verhalten. Soziales Verhalten beinhaltet eben auch, dass man abwägt, ob man weitere Arbeitslose hinnehmen kann – oder hat die Stadt vor, die Mitarbeiter der ARGE, die nun nicht mehr beschäftigt werden können, einzustellen? Das ist wohl sehr unwahrscheinlich.