Verkehrszentrale: Die Verwalter der Grünzeiten
Oldenburg (am) Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger haben oftmals das Gefühl, dass ihre Wartezeiten vor Ampeln zu lang sind, die Grünphasen zu kurz. Dabei haben die Verwalter der Grünzeiten nur insgesamt 60 Sekunden „freie Fahrt“ an alle Verkehrsteilnehmer zu verteilen, um den Verkehrsfluss nicht zu stören und die Sicherheit zu gewährleisten. Warum welche Entscheidungen in Oldenburg getroffen werden und wieso beispielsweise das Wetter in der Huntestadt eine besondere Rolle spielt, erklären die Mitarbeiter der Verkehrszentrale in der Amalienstraße.
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177 Ampelanlagen gibt es im Stadtgebiet. Überwacht werden sie in der Verkehrszentrale an der Amalienstraße. Zwei Verkehrsingenieure und ein Bautechniker organisieren und kontrollieren die Schaltungen der Ampeln, die Parkleitsysteme und die Belegung der Parkhäuser. Sie planen, geben Ziele vor, testen neue Programmierungen in der Simulation, dokumentieren und tragen gemeinsam mit den leitenden Angestellten die Verantwortung. Für Aufgaben wie die Reparatur von defekten Ampelanlagen greift die Verwaltung auf externe Firmen zurück. Außerdem besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei und den Verkehrsunternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Die neue Rechneranlage, die quasi in einen Schrank passt, steuert alle Ampelanlagen in Oldenburg. Die Zielsetzung der Verkehrsplaner ist es, möglichst allen gerecht zu werden, denn der ÖPNV, die Auto- und Radfahrer sowie die Fußgänger benötigen ihre Grünzeiten.
Die Steuerung der Grünphasen richtet sich nach dem Verkehrsaufkommen. Erfassungsschleifen zählen Autos und Fahrräder. Teilweise schon 200 Meter vor den Ampelanlagen beginnt die Zählung. Beispielsweise wurden am Pferdemarkt 30 bis 40 dieser Schleifen verlegt. An dieser Stelle werden Radfahrer und Fußgänger zusätzlich durch Infrarotkameras erfasst. „Das Besondere in Oldenburg ist, dass wir hier auch die Radfahrer zählen“, weiß Verkehrsingenieur Stefan Brandt. Das System erkennt den aktuellen Bedarf und kann, beispielsweise bei zahlreichen radfahrenden Kindern auf dem Schulweg gegen 7.30 Uhr, die Grünzeiten passgenau verändern. In Oldenburg liegen die Spitzenzeiten im Verkehr zwischen 7.20 bis 8 Uhr und von 16 bis 18 Uhr. „Der Verkehr ballt sich morgens in einer Viertelstunde“, so Verkehrsamtsleiter Bernd Müller. Diese deutschlandweit wohl einmalige Technik wird seit drei Jahren genutzt.
Eine Studie aus 2009, erstellt in Kooperation mit der Universität Oldenburg, hat ergeben, dass rund 43 Prozent der Oldenburger das Rad nutzen. Das gilt in besonderem Maße unter anderem an der Cäcilienbrücke: Hier fahren morgens mehr Rad- als Autofahrer, deshalb ist die Grünphase für Radfahrer länger. Sehr deutlich sei zu erkennen, wann es zum Beispiel Zeugnisse gegeben hat oder viele Bürger wegen Regen auf den ÖPNV oder das Auto umsteigen. Dementsprechend variieren die Grünzeiten. Neben der Cäcilienbrücke sind auch die Ampelschaltungen an den Kreuzungen Schlosswall / Damm und Gartenstraße radverkehrsabhängig. „In Oldenburg werden bei schlechtem Wetter die Ampelanlagen anders geschaltet“, sagt Müller. „Das ist in Deutschland ziemlich einmalig“, betont Stefan Brandt.
Die freie Fahrt für den Kfz-Verkehr, die sogenannte „Grüne Welle“, liegt allen Berechnungen zugrunde. Aber heute wird nicht nur der Autoverkehr bedacht, sondern auch alle anderen Verkehrsteilnehmer. „Die Busse fahren vorberechtigt und auch die Radfahrer wollen länger grün haben“, so Müller. Dadurch wird der Rhythmus der „Grünen Welle“ verschoben. Schwierig würde es, sagt Bernd Müller, wenn zwei starke Verkehrsströme wie am Heiligengeistwall aufeinander treffen. Wenn die Verkehrsmenge hoch ist, könne keiner bevorzugt werden.
Die Busse der Verkehr und Wasser GmbH (VWG) senden ein Funktelegramm an die Ampeln, die als Funkempfänger voll automatisch erkennen, wann der Bus kommt und für freie Fahrt sorgen. Ärgerlich sei es, wenn der Bus wegen eines Störeinflusses nicht so fahren kann wie geplant, erklärt Brandt. Das könne dann nicht abgeschätzt werden. Nach 120 Sekunden wird die Anmeldung des Busses ignoriert. Das sei aber die Ausnahme, denn in der Regel beträgt die Wartezeit 60 bis 70 Sekunden. „Wenn zum Beispiel Fußgänger zu lange warten, verlieren sie die Geduld und gehen bei Rot über die Ampel“, so Müller.
Nachts werden um 20.30, 23 und 24 Uhr einige Anlagen wegen des geringen Verkehrs abgeschaltet. Nach der Kritik von Anwohnern, wurden kürzlich mehrere Ampeln umgerüstet. Sie können bei Bedarf über ein Drucksystem in Betrieb genommen werden. Diese Anlagen – unter anderem an der Vollkreuzung Hundsmühler Straße / Sodenstich – sind gekennzeichnet. „Damit sind wir sehr zufrieden“, so Müller. Ein weiterer Anlass, eine Schaltung zu ändern, seien die schweren Unfälle an der Autobahnauffahrt Hundsmühler Straße gewesen (ortsunkundige Autofahrer übersahen Radfahrer). Mit getrennten Grünzeiten haben die Mitarbeiter der Verkehrszentrale mehr Sicherheit geschaffen.
Zurzeit wird über eine Abschaltung der Ampeln an Sonntagen diskutiert. Und es gibt weitere Ideen, die in der Zukunft entwickelt werden könnten. „Beispielsweise wäre es möglich, Rollatoren von alten Menschen mit einem Sender zu bestücken, damit die Ampelanlagen erkennen können, dass die Überquerung der Straße länger dauern wird“, schlägt der Verkehrsamtsleiter vor. Natürlich gebe es bei allen Überlegungen immer strenge Regeln, die eingehalten werden müssen. „Sicherheit geht über alles, da gibt es keine Kompromisse“, so Müller.
10 Kommentare
Vielen Dank für den interessanten Bericht.
Mich würde jedoch interessieren, ob speziell die Erfassungsschleifen in Oldenburg zwischen motorisierten und nichtmotorisierten Zweiräder, oder zwischen zweispurigen und einspurigen Fahrzeugen unterscheiden kann. Technisch möglich wäre es zumindest. Denn möchte man das Radverkehrsaufkommen erfassen, muss man doch Räder auf der Fahrbahn und den Nebenanlagen zählen. Räder mit einem geringen Eisenanteil, wie z.B. Carbonrahmen könnten auch nicht erfasst werden. Im schlimmsten Fall auch keine Räder mit Aluminiumrahmen.
Mit besten Grüßen
Alex Hesse
Herzlichen Dank für die Nachfrage, die wir weitergeleitet haben. Der Verkehrsingenieur Stefan Brandt von der Oldenburger Verkehrszentrale sagt dazu: „Die einfache Standardauswertebaugruppe der Induktionsschleifen kann in der Regel nicht zwischen PKW und Fahrrad unterscheiden. Sie erkennt nur, dass sich ein Metallgegenstand auf der Schleife befindet.
Bessere Auswertebaugruppen können tatsächlich auch zwischen PKW und Fahrrädern unterscheiden. Eine solche spezielle Schleife und Auswertebaugruppe ist beispielsweise in der Fahrradstraße Katharinenstraße in Höhe des Steinweges installiert um hier speziell auch den Radverkehr zählen zu können. Fahrräder mit geringem Eisenanteil sind bei beiden Auswertebaugruppen natürlich schwierig zu erfassen.
Eine weitere Möglichkeit die unterschiedlichen Verkehrsarten zu unterscheiden, sind Seitenradargeräte. Zwei solcher Geräte stehen am Heiligengeistwall. Hiermit können bis zu 10 verschiedene Fahrzeugtypen erfasst werden.“
Im Artikel wird davon gesprochen, das sich die „Grünphase“ für Kfz mitunter verschieben kann – wie bitte ist das gemeint? Wer in Oldenburg mit dem Pkw fährt weiß selbst nur zu genau, das man wenigstens an jeder zweiten Ampel zu stehen gezwungen wird; von einer Grünphase so also nicht die Rede sein kann.
Hier wäre z.B. auch eine Abhilfe möglich, wie sie in den 70er Jahren z.B. in Hamburg und vielen anderen Städten vorzufinden war: eine Lichtzeicheneinrichtung, auf der angezeigt wurde wie schnell/langsam man fahren mußte, um tatsächlich die grüne Welle zu nutzen. Ich denke mal, das so etwas auch heute völlig unproblematisch möglich wäre und damit der Verkehrsfluß auch sehr viel besser würde.
Die Abschaltung der Ampeln sollte man nicht nur für Sonntags, sondern eigentlich für jede Nacht ins Auge fassen. In Oldenburg ist Nachts nichts los, denn diese Großstadt, wie viele meinen, ist Oldenburg nun einmal nicht. Da nun in der Regeln Ampelkreuzungen mit Verkehrsschildern ausgesattet sind, sollte es wohl kaum Probleme geben. Mit der Abschaltung hätte man sogar gleich 3 Fliegen mit einer Klappe erwischt: Energieeinsparung – ungehinderter Verkehrsfluß – Umweltschutz (Lärmbelästigung).
Na prima, gestern Abend habe ich mich ziemlich über die Ampeln bzw. über die dahinterstehenden Beamten geärgert. Die Ampeln Bremer Heerstr. / Ecke Bahnhofsallee und Ecke Am Bahndamm waren nämlich um 20:30 Uhr einfach ausgeschaltet, wohl um ein paar Euros einzusparen. Das Dumme bzw. Gefährliche ist aber, dass der Verkehr noch richtig brummt, u.a. weil der Discounter erste um 21:00 Uhr die Theke hochklappt. Da steht man dann endlos lange auf der Straße Am Bahndamm und kommt nicht auf die Heerstraße, Fahrradfahrer haben überhaupt keine Chance, die Straße zu queren. Und wer von LIDL aus stadtauswärts fahren will und somit abbiegen muss, für den wird es richtig gefährlich. Und das alles, um ein paar Euro zu sparen…
Wenn man schon Ampeln ausschalten will, dann bitte ein wenig intelligenter. Wer nämlich am Sonntagmorgen um 9:00 Uhr dort fährt, wird mit Erstaunen feststellen, dass die Ampelanlage eingeschaltet ist und die Verkehrsteilnehmer am Weiterfahren hindert. Weit und breit ist kein Auto zu sehen, nur die Ampel zeigt Rot. Da nimmt es nicht Wunder, dass mich manchmal der Wunsch nach Weiterfahrt übermannt und ich handle wie ein Franzose: Ich ignoriere diese unsinnige Ampelschaltung !
Ein sehr interessanter Artikel über die Steuerung von Ampeln und die „Grüne Welle“-Problematik findet man hier:
http://www.welt.de/wissenschaft/article136831533/Wie-die-Ampeln-schlauer-werden-sollen.html
Mit der grünen Welle ist es also nicht so einfach, wie mancher glauben mag.
Moin ! Dann soll der Verwalter der Grünzeiten mir mal folgende schwachsinnige Ampelschaltung erklären, die mir immer wieder den Kamm schwellen lässt. Man hat als Fahrradfahrer die Amalienbrücke stadteinwärts überwunden, fährt auf der Huntestraße weiter Richtung Stau. Hier will man dann den Stau überqueren und auf dem Staugraben Richtung Pferdemarkt fahren. Dabei muss man den Stau queren. Hier bekommt man zur großen Überraschung als erster Rot zu sehen und muss stoppen, während die Fußgängerampel direkt daneben noch eine ziemliche Weile Grün zeigt. Das ist schon seltsam, dass der langsamste Verkehrsteilnehmer, der die gleiche Straße queren muss und am längsten für die Räumung der Straße benötigt, länger Grün hat als die schnelleren Radfahrer. Hat da jemand etwas falsch verstöpselt ? Bitte, lieber Verwalter der Grünzeiten, erklären Sie mir, welches Geheimnis dahintersteckt !
Gestern am Julius-Mosen Platz. Von der Ofener Straße in Richtung Innenstadt. Fünf oder sechs andere Radler vor mir, ich mit einem Anhänger da hinter, etwas weiter zurück um den querenden Rad- und Fußgängerverkehr noch durchzulassen. Bevor ich überhaupt losfahren konnte schaltet die Ampel wieder auf rot. Diese Ampelphase für Fußgänger und Radfahrer ist definitiv ERHEBLICH zu kurz. Ich stell mir da mal einen alten und gehbehinderten Menschen mit Rollator vor – der landet, wenn der Busfahrer nicht nett sein will, ZWINGEND unterm Bus – von Audi, BMW oder ähnlichen typischen Raserutensilien gar nicht erst zu reden.
Es gibt viel zu tun, Herr Brandt -SEHR viel!
….und diese völlig unhaltbare Verkehrsführung nutzen unsere Ordnungskräfte aus und machen Jagd auf radelnde Verkehrssünder, egal, welcher Grund diese über die rote Ampel getrieben hat.. Wenn Sie Pech gehabt hätten, Herr Lorenzen-Pranger, dann stünden auf dem Julius-Mosen-Platz unsere Freunde und Helfer und würden Sie und noch die drei oder vier Radfahrer vor Ihnen anhalten und würden behaupten, Sie alle wären bei Rot über die Ampel gefahren und müssten jetzt ordentlich blechen. Von einer Reaktionszeit von mehreren Sekunden, wie sie jedem Autofahrer zugestanden wird, haben die Beamten natürlich noch nie etwas gehört. Anstatt sich mal Gedanken über die Benachteiligung der Radler zu machen, kassiert man ab, ist ja wirklich einfach. Ein ähnliches Spielchen kann man gegenüber beim Café Rster beobachten, hier weiß man, dass die blödsinnige Verkehrsführung die vom Evangelischen Krankenhaus kommenden Radfahrer dazu zwingt, entgegen der Fahrtrichtung den Radweg zu benutzen. Man weiß es, tut nichts dagegen, stellt aber regelrechte Fallen auf, um die Radfahrer anzuhalten und abzukassieren, nicht ohne sie vorher in unsäglicher Manier belehrt zu haben.
Manchmal macht Fahrradfahren in Oldenburg keinen Spaß mehr. Oldenburg ist eine Fahrradstadt trotz einer Verwaltung und Polizei, die noch die Denke der 60er und 70er Jahre umsetzen, nämlich die der autogerechten Stadt. Und die zeigt sich auch und gerade in den Ampelschaltungen !
@ Rudi
Ich BIN bei rot über diese Ampel gefahren. Es blieb mir gar nichts anderes übrig, sonst stünde ich da vermutlich immer noch! Diese Ampelschaltung hat mit sinnvoller Verkehrsführung nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun.
Und da sie auch generell Kritik üben, tue ich das jetzt auch einmal:
Grundsätzlich sind die Fahrradwege, vor allem dort wo sie nur auf einer Straßenseite (nicht nur im ländlichen Bereich) angelegt sind, ein übler Witz. Mit der enormen Zunahme von Rädern mit Anhängern und Lastenrädern ist ein Begegnen oft eine Tortur und Millimeterarbeit. Ich habe schon extra einen Rückspiegel am Lastenrad z.B., um Überholer möglichst frühzeitig zu sehen, dennoch ist das Überholen – oder Begegnen – an vielen Stellen kaum möglich. Kommt dann noch jemand mit einem zweisitzigen Kinderanhänger kannste dich bestenfalls noch mal eben in irgendeine Einfahrt quetschen – und ein Lastenrad oder ein Rad mit Anhänger ist nun mal kein Renngefährt.
Es muß also an vielen, sehr vielen, Stellen nachgebessert werden, nicht nur bei den Ampeln.
Kleiner Nachtrag, Rudi:
Wie wäre es, wenn man in Situationen wie von ihnen beschrieben, den netten Schutzmann mal freundlich bittet, doch Anschauungsunterricht in kitzligen Situationen zu erteilen. Er darf dann, wenn er selbst keins dabei hat, auch gern unser Rad als Vorführgerät nehmen – wenn ers nicht kaputt macht. Soll er doch mal zeigen wies denn „richtig“ geht. Wie nennt man das gleich? „Ziviler Ungehorsam“?
😉