Bundestagswahl: Fragen an Amira Mohamed Ali (Die Linke)
Oldenburg (am/pm) Im Rahmen der letzten Kundgebung der Bürgerbewegung Pulse of Europe am 10. September in Oldenburg, konnten die Anwesenden Fragen an die acht Direktkandidaten zur Bundestagswahl formulieren. Davon machten zahlreiche Teilnehmer Gebrauch und stellten spezielle Fragen an die einzelnen Kandidaten oder allgemeine Fragen an alle. Amira Mohamed Ali von den Linken hat geantwortet.
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Was ist für die Linke der europäische Grundgedanke?
Für uns ist ein vereintes Europa die richtige Konsequenz aus den dunklen Kapiteln der Vergangenheit, eine wichtige Chance für ein friedliches Zusammenleben auf unserem Kontinent. Europa heißt für uns aber auch – offene Grenzen und Solidarität. Wir wollen keine Festung Europa und wir wollen keinen unfairen Handelsstrukturen, mit dem Afrika oder andere Regionen ausgebeutet werden.
Persönliche Stärken
In welchen zwei Themen kennen Sie sich so gut aus, sodass Ihnen niemand etwas vormachen kann? Welche Ideen haben Sie für die Entwicklung Deutschlands und der EU auf diesen Gebieten?
Ich bin Juristin und kenne mich natürlich in verschiedenen Gebieten gut aus, maße mir aber nicht an, in irgendeinem Bereich über allumfassendes Wissen zu verfügen und nichts mehr dazulernen zu können. Ich halte es auch für wichtig generell neugierig zu bleiben und eigene Positionen auch hinterfragen zu können. Bzgl. der Ideen und Entwicklungen Deutschlands siehe meine Antwort zu Frage 1.
Europäische Gemeinschaft statt nationale Interessen
Wie kann es mit der EU weitergehen? Vor allem, wie kann man das nationale Interesse einschränken?
Die Linke ist der Auffassung, dass die derzeitigen EU-Verträge keine geeignete Grundlage für ein vereintes Europa bilden. Auch durch die deutsche Wirtschaftspolitik, die enormen Handelsüberschüsse, die strikte Spar- und Kürzungspolitik, die dem europäischen Süden aufgezwungen wurden – all das hat Europa immer stärker gespalten. Die Linke will den europäischen Grundgedanken neu beleben und das bedeutet für uns, nach der Währungsunion endlich zu einer koordinierten Wirtschafts- und Sozialpolitik überzugehen. Wir wollen ein europäisches Deutschland und kein deutsches Europa!
Wie wollen Sie Europaskepsis begegnen und die Akzeptanz der europäischen Integration erhöhen?
Europa muss von unten wachsen und darf nicht nur ein Projekt der Eliten sein. Die Linke will, dass auf der europäischen Ebene endlich die Steuerschlupflöcher gestopft werden, dass verbindliche Klimaschutzpolitik gemacht wird – wenn die Menschen mitbekommen, dass nicht nur die Konzerne von der Integration profitieren, wird auch die Akzeptanz steigen. Apropos „Europa von unten“: Ich bin dafür, dass alle Jugendlichen in Europa eine kostenfreies Interrail-Ticket bekommen und ich will Austauschprogramme auch für Auszubildende fördern.
Was kann Deutschland noch mehr dafür tun, dass die Staaten der EU besser zusammenhalten?
Siehe Antwort Vorfrage.
Was wird getan für ein gemeinsames Europa?
Noch zu wenig, denn die Europapolitik der letzten Jahre hat eher zu einer gesellschaftlichen Spaltung geführt, als uns näher zusammengebracht.
Welche Möglichkeit sehen Sie, die älteren Generationen von den Vorteilen von Europa zu überzeugen?
Ich glaube nicht, dass die ältere Generation von Europa noch überzeugt werden muss, denn sie hat ja die Basis für das vereinigte Europa geschaffen.
Was will ihre Partei unternehmen, um rechtspopulistische Bewegungen in Deutschland und anderen Ländern Einhalt zu gebieten?
Vor allem die soziale Verunsicherung bereitet den rechten und rechtspopulistischen Bewegungen den Boden. Mit der von der Linken geforderten gemeinsamen Wirtschafts- und Sozialpolitik, mit einem Bruch mit der immer noch vorherrschenden neoliberalen Agenda können wir den Rechten wirksam begegnen. Europa muss zu sozialen Fortschritten führen, sonst wird es immer mehr auf Ablehnung stoßen.
Politikverdrossenheit, Bürgernähe
Was wollen Sie unternehmen, damit die Politikverdrossenheit in unserer Gesellschaft verringert wird? Könnte es eventuell an der bisherigen Politik „für alle“ gelegen haben?
Die Politik unserer Bundesregierungen in den letzten 20 Jahren war eben nicht „für alle“, sondern vor allem Klientelpolitik für einige wenige Reiche. Der Reichtum konzentriert sich immer stärker bei einigen wenigen und die große Mehrheit hat Reallohnverluste, immer größeren Druck auf dem Arbeitsmarkt, immer schlechtere Gesundheitsversorgung, immer höhere Mieten. Die Politikverdrossenheit entsteht, weil die Politik von CDU / SPD / den Grünen und der FDP sich in der sozialen Frage praktisch nicht mehr unterscheiden. Dem setzt Die Linke echte Sozialpolitik entgegen, die sich am wirklichen Gemeinwohl orientiert.
Was bedeutet für Sie „Bürgernähe“ auf europäischer Ebene?
Politik zu machen, die den Menschen nützt und nicht nur den Banken und Konzernen, wie die EU es zum Beispiel bei TTIP wollte und bei CETA umsetzen wird.
Was wollen Sie unternehmen, um wieder mehr junge Menschen für die Politik / den europäischen Gedanken zu begeistern?
Siehe Antwort bei Vorfragen zu europäischen Themen.
Sonderrollen und Sonderreglungen innerhalb der EU
Warum darf Polen so eine unsolidarische Europa-Politik betreiben? Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Ich nehme an, die Frage bezieht sich auf die Flüchtlingspolitik. Die Linke möchte eine europäische Flüchtlingsumlage. Das bedeutet, dass die finanzielle Last solidarisch verteilt wird, in dem alle Länder einzahlen und diejenigen, die Flüchtlinge aufnehmen aus diesen Einnahmen finanziert werden.
Das „Schengen Abkommen“ muss umgesetzt werden! Warum darf sich der Balkan „abgrenzen“ und somit Europa?
Richtig. Das Schengen Abkommen muss umgesetzt werden.
Europa-Politik
Welche Konzepte haben Sie, um auf europäischer Ebene ökologisch verantwortlich zu handeln?
Wir brauchen eine Politik, die nicht nur die wirtschaftliche Interessen der großen Konzerne schützt, sondern auf echte Nachhaltigkeit setzt und sich am Gemeinwohl orientiert.
Deutsche Politik
Was wollen sie gegen die soziale Ungerechtigkeit innerhalb unseres Landes real unternehmen?
12 Euro Mindestlohn, 1050 Euro solidarische Mindestrente, Leiharbeit und sachgrundlose Befristung abschaffen, 250.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr, 100.000 neue Pflegekräfte sofort, 1050 Euro sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV, 573 Euro Kindergrundsicherung, 5 Prozent Vermögenssteuer ab der zweiten Million, Spitzensteuersatz erhöhen – kleine und mittlere Einkommen entlasten. Mehr dazu finden Sie in unserem Wahlprogramm.
Wann wird endlich etwas gegen den hohen CO2- und Feinstaub-Ausstoß getan?
Sie sprechen es an: Der Lobbyismus muss bekämpft werden. Politik darf nicht käuflich sein. Die Linke nimmt keine Spenden von Banken und Konzernen an. Es ist auch richtig, dass wir langfristig vom Verbrennungsmotor wegkommen und uns auf umweltschonende Beförderungsmethoden konzentrieren müssen.
Was wollen sie unternehmen, um preiswertere Wohnungen zu schaffen?
Die Linke will, dass der soziale Wohnungsbau deutlich gestärkt wird. Wir wollen 250.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr. Außerdem brauchen wir eine Mietpreisbremse, die auch wirklich bremst und nicht so viele Ausnahmen hat, dass sie praktisch ins Leere läuft.
Wie sollen die Renten für die junge Generation bezahlt werden? Rente erst ab 70?
Nein! Das Renteneintrittsalter wollen wir wieder auf 65 Jahre absenken, denn die Erhöhung auf 67 Jahre war schon eine faktische Rentenkürzung. Die wenigstens können so lange arbeiten. Wir brauchen eine Rentenversicherung, in die alle mit ihrem gesamten Einkommen prozentual einzahlen. Also zum Beispiel auch Rechtsanwälte und Beamte. Außerdem sollen alle Einkommensarten berücksichtigt werden, zum Beispiel auch Zinserträge.
Was halten sie davon, die Kleinunternehmerreglung nach §19, Abs. 3 Umsatzsteuergesetz zu reformieren? Denn bei einer Grenze von 17.500 Euro kann keine Ein-Mann-Firma langfristig hauptberuflich leben. Diese Gesetzeslage ist seit 20 Jahren unberührt.
Die Linke ist der Meinung, dass Kleinunternehmer generell steuerlich entlastet werden müssen.
Was sind Sie bereit zu geben, um eine bessere Integration von geflüchteten Menschen zu gewährleisten?
Keine Antwort.
Wie kann die Beherrschung der Politik durch Lobbyisten verhindert werden?
In dem Transparenz geschaffen wird. Nach Ansicht der Linken sollten Spenden von Banken und Konzernen an Parteien nicht erlaubt sein. Die Linken nimmt solche Spenden auch nicht an. Auch braucht es ein Abstandsgebot, damit Politiker nicht nahtlos aus dem Parlament in lukrative Posten in der Wirtschaft wechseln. Nebenverdienste sind vollständig offen zu legen.
Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender
Werden Sie sich dafür einsetzen, das Trans*menschen eine Namens- und Personenstandsänderung leichter durchführen können?
Ja.
Die „Ehe für alle“ schließt aktuell Menschen ohne Geschlechtseintrag aus. Werden Sie sich dafür einsetzen, dies zu ändern?
Ja.
Werden Sie sich für die Stärkung von Rechten für LGBT+-Personen einsetzten?
Ja.
Sonstige
Wer ist schlimmer? Erdogan, Putin oder Trump?
Bei allen drei Herren gibt es jeweils viele Punkte des politischen Handels, die klar kritisiert werden müssen. Die Frage, wer der „schlimmste“ von ihnen ist, löst allerdings keines der Probleme.
Was halten Sie von einer Vereinbarung unter allen Parteien, sich von verbalen Entgleisungen abzugrenzen?
Es tut mir leid, aber die Frage ist etwas unklar. Von wessen Entgleisungen sollen die Parteien sich abgrenzen?
Warum Rot-Rot-Grün? Nicht, weil sich alle grün sind, sondern besser aufeinander aufpassen, denn sie haben alle schon Fehler gemacht, dass Dinge durchgingen, die nicht so okay sind.
An der Linken liegt es nicht. Wenn die SPD wieder bereit ist soziale Politik zu machen, ist eine Koalition natürlich denkbar. Dass die SPD zusammen mit den Grünen Dinge getan hat, die „nicht so okay“ waren, ist allerdings deutlich untertrieben. Die Agenda 2010 war der größte Sozialabbau der Nachkriegsgeschichte. Sie hatte katastrophale Folgen für unsere Arbeitsmarkt und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Hier muss eine klare Abkehr erfolgen. Davon ist nur leider nichts in Sicht.
Die Grünen sind offen für eine Koalition mit CDU / CSU und der FDP. Die Linke ist nicht bereit Mehrheitsbeschafferin zu werden, damit die neoliberale Einheitspolitik einfach fortgesetzt werden kann.
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