Politik

Kommentar: Absage an Populismus (und an Hinterlist)

Am 15. April wird der Oldenburger Rat die Entscheidung über den Bau eines neuen Stadions an der Maastrichter Straße treffen. Am vergangenen Montag wurde mit großer Mehrheit eine Bürgerbefragung zu diesem Thema abgelehnt.

Mit großer Mehrheit wurde am vergangenen Montag eine Bürgerbefragung zu diesem Thema abgelehnt. Am 15. April wird der Oldenburger Rat die Entscheidung über den Bau eines neuen Stadions an der Maastrichter Straße treffen. Wegen des großen Andrangs wird die Aprilsitzung möglicherweise in den Weser-Ems-Hallen stattfindet.
Foto: Sascha Stüber / Stadt Oldenburg

Oldenburg (Michael Exner) Der Rat hat in dieser Woche mit großer Mehrheit eine vernunftbasierte Entscheidung getroffen. Das ist umso bemerkenswerter, als Vernunft und Mehrheit in der Oldenburger Politik nicht immer das ideale Geschwisterpaar gewesen sind. Die Ablehnung der von den Grünen propagierten Bürgerbefragung zum Stadionneubau ist ein Zeugnis politischer Reife, das man sich auch bei dem einen oder anderen Konflikt der Vergangenheit gewünscht hätte – und diese Feststellung hat nichts mit der Haltung zum umstrittenen Bau einer Fußballarena in Donnerschwee zu tun.

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Das Nein des Oldenburger Rates zu einer Bürgerbefragung in Sachen Stadion ist gleichermaßen Akt der Selbstvergewisserung wie Absage an Populismus. Es ist ohnehin ein (perspektivisch gefährliches) Ärgernis, dass Gruppierungen gern dann nach dem Bürgervotum rufen, wenn ihnen eine sich abzeichnende Entwicklung nicht passt (dazu zählt übrigens auch die Forderung nach Neuwahlen, nur weil eine Bundesregierung sich gerade mal reichlich dämlich anstellt). Wer als politisches Gremium seine Entscheidungskompetenz freiwillig abgibt, stellt sich selbst in Frage.

Der Oldenburger Rat ist gewählt, damit er genau solche Entscheidungen fällt: ob Fußballstadion oder Stadtmuseum, ob Fliegerhorst-Straße oder Flötenteichbad. Diese und andere Fragen einer stark von der Beteiligung abhängigen Zufallsmehrheit in der Bevölkerung zu überlassen, ist Flucht vor der Verantwortung oder Ausweis politischer Hinterlist (was auch nicht besser wäre). Und die Beschwichtigung, das Ergebnis einer solchen Befragung sei ja nicht bindend, ist nachgerade albern. Kein Rat könnte es sich leisten, nach einem solchen Votum das Gegenteil zu beschließen.

Doch der Ratsbeschluss gegen die Befragung hat noch einen anderen Aspekt. Die große Mehrheit hat vermieden, sich von den Grünen vorführen zu lassen (wie es die Partei seit der Kommunalwahl mit einer zunehmend führungsschwachen SPD praktiziert). Der Vorstoß in Sachen Bürgerbefragung war auch der durchsichtige Versuch, die Entscheidung zu verschieben und (mit Gutachterbeschäftigung) vielleicht noch mal zu verschieben (so viel zum Thema Hinterlist) – in der Hoffnung auf irgendwann eventuell doch andere Mehrheiten. Das ist ihnen bislang bei der Verbindungsstraße über den Fliegerhorst (die aus ideologischen Gründen nur noch Entlastungsstraße genannt werden darf) exemplarisch gelungen.

Das Problem dabei ist nicht die Entscheidung an sich. Man kann die Straße bauen oder nicht, man kann das Stadion bauen oder nicht – aber es muss entschieden werden. Die Stadt kann mit beiden Positionen leben, aber nur schwer mit latenter Ungewissheit. Und ganz nebenbei: Billiger ist mit den Jahren noch kein Projekt geworden.

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9 Kommentare

  1. Manfred Murdfield
    1. März 2024 um 16.58 — Antworten

    Kann diese Einlassung ein Hinweis sein, dass die vom Niedersächsischen Landtag (m.W. vom Volk gewählt), dem hiesigen Landesgesetz- und Verordnungsgeber, beschlossene Kommunalverfassung mit deren Beteiligungsmöglichkeiten dem Populismus Vorschub leistet? Folglich ist die im Baugesetzbuch vorgeschriebene Anwendung der Bürgerbeteiligung in den Bauleitplanverfahren bezüglich der Fläche an der Maastrichter Strasse auch Populismus? Möglicherweise wird deshalb in Oldenburg gerne das „vereinfachte Verfahren“ angewendet. Kritische Bürger? Doch bitte nicht im Grossherzogtum. Wo kommen wir denn da hin. Da kann ja jeder kommen. Das haben wir noch nie gemacht.

    • W. Lorenzen-Pranger
      3. März 2024 um 12.58 — Antworten

      Nicht ärgern, nur wundern. Dieser Exner war doch früher mal bei der NWZ, richtig? Woher soll da schon ein Demokratieverständnis kommen, da ist jeder blind-autoritäre Akt „eine vernunftbasierte Entscheidung“. Den Fortschritt solchen Denkens sehen wir ja derzeit im „Chefredaktions-Team“ dieser Zeitung.
      (Meine Güte, woher kommt nur das merkwürdige Zucken im rechten Arm plötzlich…?)

      • Manfred Murdfield
        4. März 2024 um 12.22 — Antworten

        Michael Exner war Leiter der NWZ-Lokalredaktion und eigentlich vermisse ich den Versuch von kritischem Geist und Vielfältigkeit. Heute ist ja weniger kritische Information und mehr so Gala und zuviel Ostfriesland in den „Oldenburger Nachrichten“. Diesen Kommentar und dessen Sinn habe ich aber auch nicht verstanden.

  2. Lotte
    2. März 2024 um 10.04 — Antworten

    „Man kann das Stadion bauen oder nicht, aber es muss entschieden werden, sagt Herr Exner. Die Frage die sich mir stellt ist: kann ein Ratsmitglied, das glühender Anhänger des vfb ist, diese Entscheidung wirklich guten Gewissens und neutral abstimmen?
    Wäre in diesem Zusammenhang doch interessant, wieviele Ratsmitglieder da befangen sind.

  3. Dungard
    3. März 2024 um 10.44 — Antworten

    Man sieht ja schon an den Kommentaren aus welcher Ecke der Politik diese stammen. Da scheitert eine Partei und eine fragwürdige „Bürgerinitiative“ grandios und schon wird die Demokratie in Frage gestellt. Trumpismus in good old Oldenburg. Ich weiß wen ich hier fortan nicht mehr wählen werde.
    Unterstütze ich die Baskets, VfL Damen und die Knights in Oldenburg? Ja klar, ich bin Oldenburger. Unterstütze ich den VfB? Ja natürlich, wie gesagt – ich bin Oldenburger. Diese Stadt hat den bestmöglichen Platz für ein Stadion und soll es da nicht bauen? Wie viel Schildbürgertum kann man denn noch aufbringen?
    Ich bin da mal ehrlich – für mich ist das Stadion noch zu klein. Gleich 15.000 Zuschauer, mit Parkhaus und fertig. So hat der nutzende Verein zumindest auch die Chance in die beiden höchsten Ligen zu kommen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Verein, oder Sponsor, einer Kommune ein Stadion abkauft. Nicht kleckern, sondern klotzen – dann wird es auch ein großer Erfolg, oder hat zumindest die Chance dazu.

    • Manfred Murdfield
      4. März 2024 um 12.35 — Antworten

      Es bleibt abzuwarten, wie die Stadt Oldenburg die Auflage vom ARL, bzw. dem hier für Raumordnung zuständigen Landwirtschaftsministerium, eine einer Raumverträglichkeitsprüfung adäquaten Bearbeitung im Rahmen der Bauleitplanung zu lösen gedenkt. Weder im Aufstellungsbeschluss für die Änderung des Flächennutzungsplans noch in dem Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan ist diesbezüglich Bezug genommen. Mit Hau-Ruck und Basta und dem einfachen Versuch von Lösungen von technischen und organisatorischen Voraussetzungen ohne Zusammenhänge wird es nicht reichen. Die Flächennutzungsplanänderung ist genehmigungspflichtig.

    • Lars
      4. März 2024 um 13.14 — Antworten

      Ich unterstütze den vfb weil ich Oldenburger bin? Und wenn ich den vfb nicht unterstütze bin ich dann kein Oldenburger? Und wenn mir Profifussball schlicht weg egal ist bin ich auch kein Oldenburger? Was ist das denn für eine Logik ? Und sie haben die, die sie jetzt nicht mehr wählen vermutlich vorher auch nicht gewählt.

    • W. Lorenzen-Pranger
      5. März 2024 um 10.10 — Antworten

      Ja, dann bauen sie doch. Der Auswahl des Bauplatzes folgt doch logischerweise die Finanzierung – und ich denke, das haben viele sehr wohl auch im Blick. Oldenburg hat nun mal aber sehr viele andere Baustellen, die wichtiger sind. Ein Beispiel gefällig? Ein Bericht über die Fahrradstadt Kopenhagen, in dem gesagt wird, daß es zwanzig Jahre dauerte, bis das alles geplant und umgesetzt wurde. Die Informationslage in OL war nicht anders als die Dänemark auch – und welche Flaschen von Bürgermeister und Ratsmitgliedern haben sich einen Scheißdreck drum gekümmert? Jetzt ist der Druck groß, endlich zu handeln. Und, man kann es nicht oft genug wiederholen: In Deutschland gehen immer noch mehr Menschen ins Theater, in Museen und klassische Konzerte als in Fußballstadien.

    • Lars
      6. März 2024 um 10.41 — Antworten

      Bei Ihnen sieht man natürlich auch aus welcher politischen Ecke Sie kommen., Aber warum fragt man nicht die Oldenburger ob sie das Stadion überhaupt wollen? Laut Umfrage der nwz, die nun wirklich nicht für ausgewogene Berichterstattung zum Thema Stadionneubau für den vfb bekannt ist, wollen 52% der Leser kein Stadion. Da wäre eine neutrale Befragung doch sehr interessant.

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