Einkaufszentrum am Schloss sorgt weiter für Streit
Oldenburg (Michael Exner) Sechs Jahre nach seiner Eröffnung sorgt das Einkaufszentrum am Oldenburger Schloss noch immer für politischen Streit. SPD und CDU haben zwar am Donnerstagabend im Bauausschuss gegen Grüne, Linke und AfD per Aufstellungsbeschluss zur Bebauungsplanänderung prinzipiell grünes Licht für die von der Hamburger ECE gewünschte Erweiterung der Verkaufsfläche in den „Schlosshöfen“ gegeben. In der einstündigen Diskussion indes kochten die Emotionen mit Vorwürfen wie „Dreistigkeit“ oder „Geschichtsklitterung“ erneut hoch. Die Parteien stritten weniger über das Center, als über die Deutungshoheit des Ansiedlungsprozesses mit all seinen Facetten.
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Das von den Gegnern als „Koloss am Schloss“ gebrandmarkte City-Einkaufszentrum (gewolltes Gegengewicht zur sogenannten „grünen Wiese“) hatte in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends als beherrschendes politisches Thema die Stadt tief gespalten. Anfangs standen 25.000 Quadratmeter Verkaufsfläche auf dem Papier – und die Mehrheit (SPD, CDU, FDP) war deutlich. Als der Rat 2006 das Projekt kurz vor der Wahl beschloss, war die Zustimmung auf 26:25 geschrumpft (weil die CDU unter dem Druck der Wahlkampfregie ihren Kurs geändert hatte) und SPD-Oberbürgermeister Dietmar Schütz stolz, das Center auf 15.300 Quadratmeter runtergehandelt zu haben. Schütz verlor die Wahl (und mit ihm die SPD). Sein Nachfolger, der von CDU und Grünen unterstützte Gerd Schwandner, hatte den Wahlkampf zwar mit dem Versprechen geführt und gewonnen, das Center zu verhindern. Kurz nach Amtsantritt vollzog er jedoch angesichts bestehender Verträge und eines drohenden IHK-Vetos gegen die parallel geplante und von allen gewünschte Ikea-Ansiedlung einen Schwenk (und mit ihm die CDU) – aber erst, nachdem er die Centergröße noch mal (auf 12.500 Quadratmeter) runtergehandelt hatte. Die Genehmigung brachte das Aus für die sehr kurze Phase schwarz-grüner Zusammenarbeit im Rat.
Doch der Koloss am Schloss entpuppte sich nach der Eröffnung 2011 schnell als Scheinriese. Das Projekt war mittlerweile zu schmal dimensioniert, als dass es aus sich selbst heraus hätte auftrumpfen können – von der großen Magnetwirkung in die Region hinein ganz zu schweigen. Auch die Blutzufuhr durch die Umsiedlung des Elektromarktes Saturn (die beim CCO in der Heiligengeiststraße eine Lücke riss), brachte 2015 nicht den Umschwung. „Wir liegen 20 bis 30 Prozent unter unseren Erwartungen“, sagte ECE-Projektentwickler Jan Röttgers am Rande des Bauausschusses und sprach damit offen aus, was im Antrag auf Erweiterung der Verkaufsfläche auf 14.300 Quadratmeter mit „aktuellen Markterfordernissen“ dezent umschrieben wird.
Nach Röttgers Worten zielt die gewünschte Erweiterung (die mit einer Anhebung der Obergrenzen einzelner Sortimente einhergehen soll) nicht unbedingt auf die Zahl der Geschäfte. Man wolle Magneten ansiedeln. Saturn sei zwar einer, aber der allein mache keinen Standort. Und für Magneten brauche man einfach Fläche – und Flexibilität. Die Aufstockung bedeutet keine Ausdehnung des Komplexes, sie soll über internen Umbau erfolgen. Die Neuaufstellung könnte auch eine Bereinigung der Angebotsstruktur zur Folge haben. Generell beklagt wird „ein Überhang an Dienstleistungen“. Im Klartext: zu viel Friseure, Reisebüros und Handyshops.
Die ECE unterfüttert ihre Initiative mit einem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten der Cima, einem aus Oldenburger Ansiedlungsprozessen nicht unbekannten Unternehmen. Die erst in der Sitzung vorgestellte Expertise traf im Ausschuss nicht auf einhellige Begeisterung. Die Kritiker, neben Grünen und Linken auch die FDP-Fraktionsvorsitzende Christiane Ratjen-Damerau, fühlten sich bestätigt durch eine Stellungnahme der IHK, aus deren Sicht das Gutachten „methodische und inhaltliche Fragen“ aufwirft und die „Nachbesserungsbedarf sieht. Grünen-Fraktionssprecher Sebastian Beer zitierte in der Sitzung einen Passus, in dem die IHK ihrerseits aus dem Cima-Gutachten von 2004 zur Center-Verträglichkeit zitiert: „Für die Heiligengeiststraße ist durch die Ansiedlung eines Shopping-Centers im Süden der Innenstadt nicht mit negativen Entwicklungen zu rechnen“, heißt es da und weiter: „Durch ihren eigenständigen Charakter und einen hohen Anteil zielgerichteter Einkäufe kann keine Betroffenheit durch das ECE-Center festgestellt werden.“ So sah das aus – damals.
6 Kommentare
Soso… Trotz von Anfang an durchgehend zu beobachtendem Leerstand, immer mal an der einen oder andren Ecke – oder auch mehreren gleichzeitig, was eigentlich inzwischen die Regel ist – soll jetzt also die Verkaufsfläche deutlich vergrößert werden. Wozu? Für mehr Leerstand?
Da hilft auch das Lächeln einer dramatisch bebrillten jungen Frau vermutlich nichts. Na ja, vielleicht denkt sie ja, ihr Job sei sehr sicher…
Und bei der nächsten Kommunalwahl wundert sich die SPD wieder, dass die Wahlbeteiligung weiter in den Keller rauscht.
Aber egal, in der Heiligengeiststraße kann ja nichts mehr sterben, die ist schon töter als der Hauptfriedhof von Chicago.
Ein Huhn hinten hoch zu heben, damit es ein Ei legt, ist ein ebenso wenig erfolgversprechender Aktionismus wie etwas Leeres grösser zu machen, damit es voller wird. Aber auch der leere Jade-Weser-Port soll ja erweitert werden. Um diese Logik zu verstehen, steht mir irgendwie meine Vorbildung im Weg. Wenn ich gelegentlich durch das Everstener Holz radle, dann ist es dort ziemlich leer, wäre doch ein Grund zur Vergrösserung. Und wenn ich zum Stubbenweg zum shoppen radle, dann sehe ich dort viele leere Parkplätze … na ja, lassen wir das, sonst landen wir noch bei leeren Politikerversprechen. Karl Dall hat mal gemeint, er hätte mit seinen Kindern Leer voll gemacht, auch ein nicht überzeugender Aktionismus. Im übrigen mag ich mir nicht vorstellen, was wäre wenn – es die geplanten 25.000 m² ECE-Verkaufsfläche gäbe. Im ECE Beinfreiheit wie in den Bornhorster Wiesen. Aber so ist eben Oldenburger Urbanität im Lichte des hiesigen politischen Wollens.
„gewolltes Gegengewicht zur sogenannten grünen Wiese“
Seinerzeit hat die Industrie- und Handelskammer sich zugunsten der ECE-Betreiber aktiviert und dies entgegen der Interessen der ortsansässigen Händler. Interessenvertretung Fehlanzeige!
Auf erpresserische Art wurde der Bau der Schlosshöfe im Rahmen damit durchgeboxt, dass es einen „Gegenpol“ zum IKEA-Bau geben müsste. Die Industrie- und Handelskammer Oldenburg wollte seinerzeit ein Zielabweichungsverfahren zum IKEA-Bau nur positiv enden lassen, wenn ein Gegenpol in der City entstünde. Wie wenig Menschenverstand muss man haben, um diese Notwendigkeit zu glauben? IKEA ist und bleibt ein Möbelriese, der zwar innenstadtrelevante Randsortimente führt, jedoch an jedem Standort der Welt, die Leute in die Region lockt und dies auch aus Entfernungen jenseits des normalen Einzelhandels. Dass es für einen solchen Möbelriesen einen Gegenpol in Form eines Citykaufhauses braucht ist schlichtweg Unsinn.
Aber unsere Politiker lassen sich von der IHK an der Nase rumführen und setzen voller Vertrauen auf die Beratung dieser Zwangs-Institution.
Unserer Parteiendemokratie werden immer häufiger die Grenzen aufgezeigt. Zudem finden sich wohl auch immer weniger Menschen, die über kommunale Parteimandate ein politisches Gegengewicht zu dem Investorendruck und deren elitären Lobby-Interessenvertretung (z.B. IHK) bieten können – oder wollen. Für mich zeigt sich das in der aktuellen Ratsarbeit, aber die Luft für selbst bestimmtes kommunales Handeln wird auch immer dünner, weil eben die Voraussetzungen zum Ausweichen erweitert werden, Bebauungsplanverfahren können (wenn gewollt) über den § 34 BauGB ausgehebelt oder sonst zu einer nichtssagenden Formalie gefaltet werden (vor allem die Goldgräber-Ost-Importe der Vorhaben bezogenen B-Pläne), aber auch die Raumordnungsverfahren haben, wie beim ECE erlebt, willfährige Hintertüren (damals § 11, heute § 6 ROG, Zielabweichung), und bei den Planfeststellungsverfahren (z.B. A 20) wird auch schon von den o.g. Lobbyisten an den Schrauben gedreht, damit es endlich ohne Bürger „schneller“ geht. Wer will hier eigentlich den Staat verändern, oder war das staatliches „Gestaltungsmonopol“ der DDR für einige vielleicht doch nicht so schlecht?
Die IHK hat sich dieses Mal aber eher kritisch zum CIMA-Gutachten, das die Ausweitung der Verkaufsfläche der Schlosshöfe begründet, geäußert.
In der Tat wird die Innenstadt durch IKEA und die dort benachbarten Märkte praktisch nicht tangiert. Eher durch das Famila-Center Wechloy.