Politik

Stadt bringt Wechsel im Finanzdezernat auf den Weg

Der Rat wird die Leitung des Finanzdezernates ausschreiben. Der Beschluss bedeutet gleichzeitig den formellen Abschied von Silke Meyn.

Silke Meyn.
Foto: Foto- und Bilderwerk

Oldenburg (Michael Exner) Der Rat wird auf seiner Sitzung am Montag die Leitung des Finanzdezernates ausschreiben. Der Beschluss bedeutet gleichzeitig den formellen Abschied von der Dezernentin Silke Meyn, die über 18 Jahre in diesem Amt die Finanzwirtschaft der Stadt geprägt hat und nach einer krankheitsbedingten Auszeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wird.

Anzeige

Die 58 Jahre alte Juristin hatte schon vor ihrer Wahl zur Finanzdezernentin (mit großer Ratsmehrheit im März 2002) für Aufsehen gesorgt. Die damalige Stellvertreterin des Verdener Oberkreisdirektors war nicht gerade als Favoritin in die interne Vorausscheidung gegangen (oder besser: geschickt worden). Oberbürgermeister Dietmar Schütz (SPD) hatte der SPD-Fraktion, die im Ratsbündnis mit der FDP das politische Vorschlagsrecht (das formelle liegt beim OB) für diese Position ausgehandelt hatte, aus knapp 30 Bewerbungen ein handverlesenes Trio präsentiert: zwei Genossen und eine Frau ohne Parteibuch. Entgegen allen Erwartungen entschied sich die Fraktion für die Außenseiterin. „Die Frau hat den besten Eindruck gemacht“, hieß es damals aus SPD-Kreisen, und so habe die Fraktion allein nach dem Kriterium die Qualifikation entschieden – eine für politische Entscheidungen (zumindest damals) eher ungewöhnliche Haltung, deren Erfolg sich schnell bestätigen sollte.

Silke Meyn stammt aus Cuxhaven. Nach dem Jurastudium besuchte sie die Hochschule für Verwaltungswissenschaften, arbeitete u.a. als Dezernentin bei der Bezirksregierung Hannover, als Referentin beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages und war vor ihrem Wechsel nach Oldenburg sieben Jahre Erste Kreisrätin des Landkreises Verden. Nach vier Jahren mit Oberbürgermeister Schütz wurde sie 2006 auf Vorschlag des (parteilosen, gerade auf CDU-Ticket gewählten) Oberbürgermeister Gerd Schwandner zusätzlich zur Ersten Stadträtin und damit zur Stellvertreterin des Oberbürgermeisters innerhalb der Verwaltung gewählt. 2014 wurde sie in beiden Funktionen bestätigt. Ihre Amtszeit lief bis 2022. Sie hatte allerdings seit einiger Zeit mit einer Krankheit zu kämpfen.

Die Nachfolge soll der Rat in der Sitzung am 22. März 2022 regeln. Die Ausschreibung richtet sich zwar an einen Kreis mit Abschluss „in einem wirtschafts-, rechts- oder verwaltungswissenschaftlichen Studiengang“. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass es auf jemanden mit juristischer Qualifikation hinauslaufen soll. Meyn war die einzige Juristin in der Verwaltungsspitze. Die Position der OB-Stellvertretung dürfte vermutlich zunächst nicht besetzt werden (was unter Schütz auch schon mal vier Jahre der Fall war).

Die am Montag geplante Beschlussfassung ist zunächst eine 1:1-Besetzung; d.h., es wechselt lediglich die Leitung des Finanzdezernats. Eine Änderung der Struktur ist damit nicht verbunden. Das heißt auch, dass Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) im Vorfeld auf einen weiteren Vorstoß verzichtet hat, die Zahl der Dezernate um eins auf vier zu erweitern (sein eigenes nicht mitgezählt), was der von interessierter Seite immer mal wieder erhobenen Forderung nach einem Kulturdezernat Rechnung getragen hätte. Das war in der Vergangenheit vor allem am Widerstand der CDU gescheitert, bei der Partei- wie Fraktionsführung wiederholt eine Aufstockung ausgeschlossen haben. Die Grünen zeigten sich grundsätzlich gesprächsbereit, sahen die Priorität aber im Umweltbereich, dessen Herauslösung aus dem Bau- und Verkehrsdezernat sie seit Jahren fordern. Die Hauptsatzung der Stadt sieht eigentlich vier Dezernate vor. Die vierte Position ist seit zehn Jahren nicht besetzt.


Kommentar: Ein herber Verlust

Von Michael Exner

Das krankheitsbedingte Ausscheiden der Finanzdezernentin Silke Meyn ist für die Stadt ein herber Verlust. Man soll mit dieser schnell ins Floskelhafte abgleitenden Formulierung vorsichtig sein, aber hier ist sie mal gerechtfertigt: Da geht schon eine Ära zu Ende – eine der Kompetenz und des kühlen Verstandes.

Als die parteipolitisch ungebundene Juristin nach Oldenburg kam, waren Haushaltsdefizite in zweistelliger und Liquiditätskredite in dreistelliger Millionenhöhe an der Tagesordnung, die Aufstellung von der Bezirksregierung erzwungener Konsolidierungskonzepte Alltagsgeschäft. Silke Meyn hat die Stadt in diesen schwierigen Zeiten erst auf Kurs gebracht und dann auch unter den komplexen Verhältnissen Oldenburger Politik auf Kurs gehalten. Daran darf man heute, wo die Lage selbst unter Corona noch Überschüsse und Schuldenabbau ermöglicht, schon mal erinnern. Als Erste Stadträtin (ein kluger Schachzug des damals frisch gewählten Oberbürgermeisters Gerd Schwandner) hat sie zudem zweimal die Übergänge bei den Wechseln im Oberbürgermeisteramt gemanagt. Dabei konnten sich die Gewählten auf ihre unbedingte Loyalität verlassen. Ohne sie wäre etwa der durch die Schlosshöfe-Ansiedlung schlingernde Schwandner viel früher am Ende gewesen. Über die Jahre hat sich Silke Meyn durch klare Standpunkte und offene Kommunikation auch den Respekt von Fraktionen erworben, die inhaltlich mit ihr eher überkreuz lagen.

Dabei hat sie mit dem genuin Politischen und den Umgangsformen im parlamentarisierten Oldenburger Rat stets gefremdelt. Als etwa der heutige Oberbürgermeister Jürgen Krogmann noch im Kandidatenstatus im Suchen nach Mehrheiten ihren Stuhl als Verhandlungsmasse anbot, obwohl sie noch drauf saß, hat sie das persönlich getroffen. Dass solcherlei Geschäftspraktiken in der Politik allenthalben üblich sind, hat sie zwar rational aufgearbeitet, aber emotional nie akzeptiert. Dass die Arbeit mit Krogmann nach dessen Wahl dennoch bis heute ohne große Reibungsverluste funktioniert, ist wiederum eine Frage der Loyalität, aber auch der Professionalität.

Kurz nach ihrem Amtsantritt 2002 hat Silke Meyn auf die Frage, was man am Ende ihrer Amtszeit möglichst über sie sagen solle, geantwortet: „Ich möchte das gewesen sein, wofür man mich eingekauft hat und wofür ich gekommen bin.“ Das ist sie gewesen – und mehr.

Vorheriger Artikel

Frauenhäuser wegen Angst vor Corona weniger angefragt

Nächster Artikel

Ökonomen uneins über Länder-Beteiligung an Corona-Kosten

Keine Kommentare bisher

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.