Wirtschaft

HWK-Präsident setzt auf „Berufsabitur“

Lediglich neun Prozent der Azubis im Oldenburgischen Kammerbezirk sind Abiturienten. Der HWK-Präsident Manfred Kurmann setzt deshalb auf das Berufsabitur.

HWK-Hauptgeschäftsführer Heiko Henke (links) und Präsident Manfred Kurmann (rechts) begrüßten Thomas Kossendey als Festredner bei der Vollversammlung.
Foto: Katrin Zempel-Bley

Oldenburg (zb) „Die regionale Handwerkskonjunktur läuft seit Jahren auf Hochtouren, die Auftragsbücher sind voll und die Betriebe arbeiten nahe ihrer Kapazitätsgrenzen“, fasst Manfred Kurmann, Präsident der Handwerkskammer Oldenburg, anlässlich der Vollversammlung in Oldenburg zusammen. Einziger Wermutstropfen: Wo bekommt das Handwerk dringend benötigte qualifizierte Kräfte her?

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Die Zahl der Auszubildenden ist in diesem Jahr um 3,2 Prozent zurückgegangen. Das liegt einerseits an rückläufigen Schülerzahlen aber auch daran, dass sich Abiturienten zum größten Teil für ein Studium entscheiden, obwohl 30 Prozent aller Bachelor-Studierenden ihr Studium abbrechen. 2818 neue Lehrverträge wurden in diesem Jahr abgeschlossen. Lediglich neun Prozent der Azubis im Kammerbezirk sind Abiturienten. Da sei noch viel Luft nach oben, meint der Präsident.

„Berufsabitur“ soll Jugendliche ins Handwerk holen

Er setzt deshalb auch auf das „Berufsabitur“. So lautet der Arbeitstitel des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZDH), um eine höhere Berufsbildung noch während der Schulzeit zu verankern. „Je nach Modell würde man mit dem Gesellenbrief gleichzeitig das Abitur oder die Fachhochschulreife bekommen“, erläutert der Präsident. „Damit könnten wir zusätzliche Jugendliche ins Handwerk holen. Die Idee hat das Potenzial, eine bundesweite Bildungsmarke zu werden“, ist er überzeugt. Zumal ähnliche Modelle bereits in Österreich und der Schweiz erfolgreich praktiziert werden.

Der ZDH hat das Modell bereits der Kultusministerkonferenz vorgestellt. Die Idee soll anhand von Pilotprojekten umgesetzt werden. Das Niedersächsische Kulturministerium realisiert eines von bundesweit sechs Pilotprojekten. „Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Berufsschule aus dem Kammerbezirk dabei sein wird, ist sehr hoch“, berichtete Kurmann den Mitgliedern der Vollversammlung.

Kooperation mit umliegenden Hochschulen

Die Kammer ist in diesem Jahr bezüglich der Studienabbrecher selbst aktiv geworden, indem sie eine Kooperationsvereinbarung mit der Universität Oldenburg, der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer, der Landwirtschaftskammer, dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit geschlossen hat. Studienabbrecher sollen so früh wie möglich kompetent in der Uni über einen Weg aus der Sackgasse beraten werden. „Im kommenden Jahr streben wir eine Erweiterung der Kooperation mit umliegenden Hochschulen an“, kündigte Kurmann an.

Besonders stark hat sich die HWK für die Integration von Flüchtlingen engagiert. Im Rahmen des Integrationsprojekts „Handwerkliche Ausbildung für Flüchtlinge und Asylbewerber“ hat bei 90 Flüchtlingen eine Kompetenzfeststellung stattgefunden. Elf konnten in eine Ausbildung, 13 in eine Einstiegsqualifizierung, 16 in eine Arbeitsstelle und 39 in Sprachkurse vermittelt werden. Diese Teilnehmer werden weiterhin betreut mit dem Ziel, sie fest ins Handwerk zu integrieren. Im neuen Jahr will das Handwerk zudem seine Werbe- und Imagekampagnen verstärken, um mehr Jugendliche für sich zu gewinnen.

Das Handwerk hat das Oldenburger Land geprägt

Thomas Kossendey, Präsident der Oldenburgischen Landschaft, hielt den Festvortrag über die Zukunft des Oldenburger Handwerks. „Das Bild des Oldenburger Landes wurde in der Vergangenheit auch von Handwerkern geprägt“, erklärte er und erinnerte unter anderem an Wahrzeichen des Oldenburger Landes, an Bauernhäuser oder das Museumsdorf in Cloppenburg. Ohne Buchdrucker in Oldenburg hätten wir keine Hamelmann-Chronik von 1599 oder die Winckelmann-Chronik des 17. Jahrhunderts. Auch sämtliche Orgeln von Arp Schnitger, die bis heute bewundert würden, und das von einem Goldschmied hergestellte Oldenburger Wunderhorn gehören dazu.

„Das Handwerk hat das Oldenburger Land geprägt und tut es weiterhin“, machte Kossendey den Stellenwert deutlich. Master und Meister sind gleichrangig und der Slogan des Handwerks „Für uns zählt nicht, wo du her kommst, sondern nur, wo du hin willst“ zeige, dass das Handwerk Migration stets als Bereicherung verstanden habe. Diese Tradition aber auch das ehrenamtliche Engagement der Vollversammlungsmitglieder zeige die Gemeinsamkeit von HWK und Oldenburgischer Landschaft. „Wir sind Handwerker – wir können das“ ist ihr Selbstverständnis, bei der Landschaft lautet es: „Kann, mutt, löppt“.

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2 Kommentare

  1. Dirk Gemus
    10. Dezember 2016 um 21.23 — Antworten

    Hä?

    Laut Frau Merkel sind die Fachkräfte zu Tausenden doch erst jüngst zugewandert!

    Da passt etwas nicht.

    LG

  2. Werner Lorenzen-Pranger
    15. Dezember 2016 um 6.20 — Antworten

    Was dabei herauskommt, wenn immer mehr Wirtschaftsinterressen in die Schulen getragen werden, kann man jeden gestressten Lehrer fragen – besonders die an Berufsschulen. Die Allgemeinbildung bleibt auf der Strecke und man produziert die Verblödung, die man dann lautstark beklagt Und ist die „Oldenburgische Landschaft‘ eigentlich zwingend ein Erbhof der CDU? So etwas hat man doch an anderer Stelle, an der das einmal sinnvoll gewesen wäre wie etwa bei der Funktion eines Stadtfestorganisators, stets abgelehnt.
    Ist es nicht seltsam, dass wir Jahre in der Schule brauchen um unsere Sprache richtig zu erlernen, wir aber so komplexe Themen wie Kunst, Bildung und Kultur jedem beliebigen Hans und Franz überlassen, der heute dies und morgen das Amt “ bekleidet“?

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